FIFA 11
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Sport – USK 0 – Electronic Arts
Erscheinungsdatum: 30.09.2010
Erhältlich für: PS3 (Testversion), X360, Wii u.a.

Mit zwei Weltpremieren wartet FIFA 11 auf: Im neuen „Be A Goalkeeper“-Modus denkt und handelt man als Mann zwischen den Pfosten, und es wird erstmals in einem Videospiel möglich sein, online 11 gegen 11 zu spielen, wobei sämtliche 22 Spieler benutzergesteuert sind. Somit kann man mit Freunden als echtes Team auftreten, seine Lieblingsposition besetzen oder eine ganz andere ausprobieren. FIFA 11 definiert Spielerauthentizität neu – ob am Ball oder nicht – für jeden Spieler und jede Position. Das neue Feature Personality berücksichtigt neben den Standardattributen auch individuelle Fähigkeiten und ermöglicht es, jeden Spieler mittels seiner Physis und Spielanlagen klar unterscheiden zu können. Personality arbeitet die Unterschiede einzelner Fußballer mithilfe einer Datenbank heraus, die deren Fähigkeiten-Sets mittels 36 Attributen und 57 Eigenschaften evaluiert und adaptiert. Die EA SPORTS FIFA-Serie greift dabei auf ein Netzwerk von 1.700 Scouts, Redakteuren und anderen Experten aus aller Welt zurück, um jeden Spieler individuell zu bewerten.

FIFA 11

2011 geht der ewige Kampf zwischen Konami und EA mal wieder in die nächste Runde. Während EA seit eh und je mit Lizenzen, verschiedensten Spielmodi und einem gewaltigen Umfang protzen konnte, so waren es letztlich doch immer wieder die Japaner, die im entscheidenen Punkt – dem Gameplay – die Überhand hatten. Die Wahl der wahren Simulations-Fans fiel somit meist auf Pro Evolution Soccer, während FIFA eher in den Arcade-Spielern ihre Zielgruppe sah. Etwa zur PS3-Ära begann sich dann aber ein gegenläufiger Trend abzuzeichnen. Während Konami versuchte, „mainstreamgerechteren“ Fußball zu bieten und die wahnsinnig umfangreiche Steuerung einsteigergerechter und letztlich arcadelastiger zu gestalten, ging FIFA immer mehr in Richtung Simulation. So bahnte sich auf der diesjährigen gamescom schon an, was eigentlich irgendwann kommen musste: Als langjähriger PES-Liebhaber muss ich zugeben, dass EA die Konkurrenz aus Japan in ihrer eigenen Paradedisziplin geschlagen hat.

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Ja, spielmechanisch hat sich bei FIFA wirklich einiges getan. Nicht lange ist es her, als man sich den Ball lediglich solange vor dem Sechzehner hin- und herpassen musste, bis sich irgendwann mal eine Lücke zum Schuss öffnete, durch die man das Leder dann verwandeln konnte. Tatsächlich war es noch in FIFA 10 schwer, den Ball nicht zum eigenen Mann zu passen. Gerade hier beim von ihnen selbst „ping pong passing“ genannten Pass-System hat EA nun ordentlich nachgebessert. Aus „ping pong passing“ ist nun „Pro-Passing“ geworden und schon beim ersten Spiel wird schnell klar, dass man in Kanada endlich aus den Fehlern der Vorjahre gelernt hat.

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Was für langjährige FIFA-Anhänger anfangs noch sehr frustierend wirken kann, stellt sich recht bald als viel realitätsnaher heraus. Beim Passen sind gutes Timing und die richtige Härte nun ebenso wichtig wie die Position zum Ball – es ist nun eben nicht mehr problemlos möglich, aus dem Stand einen 40-Meter-Flugball oder aus vollem Lauf einen Pass in die entgegengesetzte Richtung zu spielen, ohne dabei ins Straucheln zu geraten. Nicht selten fällt ein ungeschickter Innenverteidiger dabei mit seinem Hintern auf den Rasen, während ein quirliger Stürmer deutlich weniger Probleme zu haben scheint. Geht es dann aber in den direkten Zweikampf, wird jener Innenverteidiger die Situation in den meisten Fällen für sich entscheiden, was durch das „360°-Dribbling“ besser denn je aussieht. Tacklings werden von den verschiedenen Schiedsrichtern (einstellbar!) besser geahndet, die Vorteilsregelung sitzt aber immer noch nicht perfekt.

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Das Beispiel aus dem letzten Absatz zeigt eine weitere Neuerung in der diesjährigen Version auf: Personality+. Unabhängig von den eigentlichen Spielerattributen gibt es nämlich nun bei vielen Spielern „Spezialfähigkeiten“. Was mich als ewigen Hasser von Fantasy-Spielen jeglicher Art aufschrecken ließ und sich schon Vorstellungen von einem Mario Gomez breitmachten, der per magischer Spezial-Aktion auch endlich mal das Tor trifft, ist glücklicherweise nicht das, was es vermuten lässt. Vielmehr gibt es nun im Team-Management Symbole neben den Spielern, die die besonderen Stärken nochmals verdeutlichen. So sind Messi und Ronaldo wahre Dribbelkünstler, Lampard und Gerrard Fernschuss-Spezialisten und Terry und Puyol in der Abwehr kaum zu überwinden – eben wie im echten Leben. So ist es umso schöner, dass die Eigenschaften nicht nur auf dem Papier existieren, sondern auch im Spiel selbst zu bewundern sind – Ronaldo ist durch seine markante Laufart unverkennbar, Drogba behauptet den Ball auch in schier ausweglosen Situationen noch und Xavi gelingen die unglaublichsten Pässe, während Messi nur mit Glück mal einen Kopfball gewinnt. Und das ist gewiss nicht nur Marketing-Trara.

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Auch die Zeiten der Strandball-Ballphysik gehen endlich einem Ende zu. Zwar kann man noch nicht ganz von „perfekt“ sprechen, doch die Veränderungen sind zumindest ein großer Schritt in die richtige Richtung und man kann zumindest keine Bälle mehr erwarten, die im Flug scheinbar fast umdrehen oder Ihre Richtung schlagartig um 90 Grad ändern. Die Verbesserungen in diesem Bereich kommen vor allem bei Flanken zu tragen. Diese können nun vielfältiger gespielt werden und sind durch Anpassungen bei der Direktabnahme effektiver: Gegenüber FIFA WM 2010 gibt es nun nochmals mehr Animationen, so dass vom gerade noch ausgestreckten Fuß bis zum spektakulären Fallrückzieher alles möglich ist.

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All diese Neuerungen sorgen zusammen mit einer verbesserten KI (selbst der Torwart rennt nicht mehr bei jedem Angriff wie ein Wahnsinniger dem Stürmer entgegen, um anschließend gelassen dem Lupfer ins eigene Tor hinterherzusehen) und einem etwas reduzierten Spieltempo sorgen letztendlich also für ein deutlich realistischeres Spiel, das ohne Frage auch anspruchsvoller geworden ist. Auf Kosten der Action gibt es nicht selten Abwehrschlachten und Mittelfeldgeplänkel, doch ist die Freude umso größer, wenn man in der Nachspielzeit noch so gerade das 2-1-Siegtor erzielen kann. Zugegebenermaßen sind solche Spiele auch packender und nervenzerrender als solche von der Größenordung 8-5, die es in den Vorgängern nicht selten gab.

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Bei all dem Lob im spielerischen Bereich sollte nun aber auch mal die Grafik erwähnt werden. Hier hat sich abgesehen von den Animationen gegenüber FIFA 10 zwar nicht viel getan, doch war leider auch das bisher beste FIFA-Publikum aus FIFA WM 2010 nur eine kurze Freude. Die schön inszenierten Fans aus dem WM-Ableger musste nämlich leider wieder ihren Klon-Freunden aus dem Hause EA Vancouver weichen und so gibt es abermals synchronisierten und stimmungslosen Pixelmatsch im Publikum. Sehr schade! Hier lohnt auch mal wieder ein Blick nach Japan (siehe Screenshot oben) – PES 2011 ist grafisch deutlich hochwertiger, sowohl individuell bei den Spielern als auch beim Stadion als Ganzes. Nie sah ein Spiel dem Fernsehbild so ähnlich! Hier sollte EA im nächsten Jahr anpacken. Immerhin die Soundkulisse ist aber einigermaßen in Ordnung, auch eigene Fangesänge sind möglich.

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Mit Soundkulisse schließe ich aber noch nicht die (deutschen) Kommentatoren ein. Diese sind zumindest in meinen Augen ein absoluter Witz – und schaut man sich das allgemeine Feedback an, scheine ich in dieser Meinung nicht alleine zu sein. Manfred Breuckmann und Frank Buschmann kann man mögen oder nicht, aber ihre Kommentare im Spiel grenzen wirklich an Unverschämtheit. Während der eine zwangshaft versucht, witzig zu sein (aber kläglich scheitert), nervt der andere mit immer wieder den gleichen Äußerungen, die in vielen Situationen nichtmal ansatzweise zum Spielgeschehen passen. „Da will er jetzt den Zweikampf!“ hört man pro Spiel gut und gerne 20 Mal und während der eine im Torjubel ausbricht, unterbricht der andere ihn gerne mal damit, dass es nun mit einem Abstoß weitergeht. Hier könnte ich noch unzählige Beispiele nennen – wer mehr als fünf Spiele am Stück aushält, ist wirklich schon hartgesotten. Warum man sich nicht endlich mal ein Beispiel am englischen Kommentar nimmt, ist für mich absolut fragwürdig. Dort machen die Sky-Urgesteine Andy Gray und Martin Tyler nämlich einen meist passenden und fachlich kompetenten Job, erläutern viel zum Hintergrund der verschiedensten Mannschaften, gehen auf viele individuelle Paarungen und sogar namentlich auf den individuellen Schiedsrichter ein und verkommen dabei nicht zu Möchtegern-Comedians.

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Im runderneuerten Karriere-Modus hat der Spieler nun die Wahl zwischen Spieler („Be a Pro“ und „Be a Goalkeeper“), Spieler-Trainer und Manager. Mit „Be a Goalkeeper“ ist ein nettes Feature dazu gekommen, das aber eigentlich nur online richtig Spaß macht, da es nun endlich echte 11-gegen-11-Spiele ermöglicht, in denen jeder virtuelle Spieler durch einen menschlichen Konterpart gesteuert wird. Die Steuerung ist zwar gut und authentisch umgesetzt, doch ist es zwangsweise Geschmackssache, ob man wirklich einen Großteil des Spiels nur zusehen möchte und mitunter im Spiel nicht einen einzigen Ball in seinen Strafraum bekommt – in der Offline-Karriere durchaus möglich! Die Ligen verlaufen dafür realistisch (wobei der Begriff bei der aktuellen Bundesliga-Saison wohl eine neue Bedeutung hat) und auch die Transfers sind nicht weltfremd. Auch Online-Zocker haben natürlich ihre Freude, neben dem erwähnten 11-gegen-11-Modus gibt es auch wieder die sonst üblichen Modi, das Spiel verläuft weitestgehend flüssig und macht Spaß – so bleibt nur zu hoffen, dass es seitens EA bald endlich die schon ewig angekündigten Sanktionen für die „Quitter“ gibt, denen man es dieses Jahr noch leichter gemacht hat: So gibt es selbst im Online-Spiel die Funktion „Spiel beenden“ – was man sich dabei wohl gedacht hat?

Die Lizenzen braucht man ja eigentlich garnicht mehr zu erwähnen. Dass EA mit über 500 lizenzierten Teams in 28 Ligen und über 15.000 Spielern die klare Oberhand über die Konkurrenz hat, wurde ja schon eingangs erwähnt. Aktuelle und stets aktualisierte Transfers sind darüber hinaus selbstverständlich. Einziger Wermutstropfen mag da die fehlende dritte Liga sein, doch eine nach wie vor ausgezeichnete Präsentation von Hauptmenü bis In-Game tröstet darüber hinweg.

Alles in allem kann man FIFA 11 also voller Überzeugung als das beste Fußballspiel aller Zeiten bezeichnen. EA hat das bestehende Konzept ausgebaut, gründlich überarbeitet und bietet nun endlich eine realistische Fußballsimulation. PES 2011 ist jedoch noch lange nicht ab vom Schlag und grafisch noch deutlich überlegen. Wir können also gespannt sein, was uns in den nächsten Jahren erwartet. (ok)

Cover und Fotos © 2010 Electronic Arts / In-Game Screenshot von NGOHQ.com